Die erste Prader-Willi-Syndrom-Wohngruppe der Schweiz zieht um
Mit der Aufnahme der ersten Person mit Prader-Willi-Syndrom (PWS) im Jahr 1998 entschied sich die Stiftung Arkadis, ein spezifisches und auf die besonderen Bedürfnisse ausgerichtetes Wohnangebot zu schaffen. Die 2003 eröffnete Wohngruppe war ein Pionierprojekt, da sie zu dieser Zeit das einzige Wohnangebot für Menschen mit PWS in der Schweiz darstellte. Nach über 20 Jahren zieht diese Wohngruppe nun um.
PWS ist eine seltene, unheilbare, komplexe genetische Erkrankung, die sowohl Männer als auch Frauen von Geburt an betrifft. Sie zeichnet sich durch einen niedrigen Muskeltonus (Muskelspannung) aus, was zu motorischen Entwicklungsverzögerungen führen kann, sowie durch eine leichte bis mittelschwere Lernbehinderung, unvollständige sexuelle Entwicklung und emotionale sowie soziale Unreife, die häufig herausforderndes Verhalten zur Folge haben kann. Durch frühzeitige Unterstützung und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema im Umfeld können diese Verhaltensweisen jedoch vermieden oder deutlich gemildert werden. Typischerweise entwickelt sich in der Kindheit ein überwältigender und unersättlicher Appetit, der ohne strenge Ernährungs- und Bewegungsprogramme zu Nahrungssuche, Diebstahl und lebensbedrohlicher Adipositas (Fettleibigkeit) führen kann. PWS tritt zufällig bei etwa 1 von 15 000 bis 1 von 25 000 Geburten auf, und es wird geschätzt, dass in der Schweiz etwa 350 bis 600 Menschen mit PWS leben.
In den vergangenen 21 Jahren hat sich im Bereich der Betreuung von Menschen mit PWS viel verändert. Es wurde nicht nur umfangreiches Wissen zum Syndrom selbst, sondern auch zur Betreuung von Betroffenen erarbeitet. Zudem ist ein starkes nationales und internationales Netzwerk rund um das Syndrom entstanden, in welchem sich die Stiftung Arkadis seit jeher intensiv engagiert.
Auch im Bereich der Wissensvermittlung zum Syndrom bleibt die Stiftung Arkadis tonangebend. Jährlich wird ein Lehrgang für die gesamte Schweiz angeboten, bei dem weltweit führende Dozenten ihr Wissen teilen. Die interne Fachstelle Prader-Willi-Syndrom vermittelt darüber hinaus ihre Expertise durch Fachberatungen in anderen Institutionen und Schulen.
Um das Wohnangebot weiterzuentwickeln und an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anzupassen, ist eine enge Vernetzung mit den Betroffenen und ihren Familien essenziell. Die Stiftung unterstützt diesen wichtigen Punkt, indem sie Mitarbeitende in den Vorstand der PWS-Vereinigung Schweiz entsendet und so eine Brücke zwischen Eltern und Institutionen schlägt. In einer internen Befragung der Elternvereinigung wurde deutlich, dass spezifische Wohnformen für ihre Kinder nach wie vor stark gewünscht sind.
Mit dem Anfang November stattfindenden Umzug an die Martin-Disteli-Strasse 89 in Olten kommt die Stiftung Arkadis diesen Wünschen nach. Auf den ersten Blick scheint die Verlagerung näher zur Stadt nicht sinnvoll, da die Versuchungen im Bereich der Nahrungsbeschaffung höher sein könnten. Doch der Ansatz, Menschen mit PWS kontrolliert an das Thema Essen heranzuführen, fördert gleichzeitig ihre Teilhabe am öffentlichen Leben und die soziale Integration. Das neue Wohnangebot ist modular gestaltet: Ein Teil der Wohngruppe ist für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, zum Teil altersbedingt, vorgesehen, während ein anderer Teil für Menschen gedacht ist, die selbständiger leben möchten. Die umgebaute Liegenschaft verfügt zudem über zwei Studios, in denen sich Menschen mit PWS an einem eigenständigen Leben erproben können.
Die Stiftung Arkadis ist stolz darauf, mit diesem stadtnahen und modularen Wohnangebot erneut Pionierarbeit zu leisten und damit zur stetigen Weiterentwicklung des Wohnangebots für Menschen mit PWS in der Schweiz beizutragen.